Badische Neueste Nachrichten, 4.11.2003
Seit über 50 Jahren zum ersten Mal ausverkauft!
Zupfende Himmelsstürmer zwischen Wolga und Vivaldi
Das
Mandolinenorchester der Kolpingsfamilie mit Boris Björn Bagger und Detlef Tewes im ausverkauften Ettlinger Asamsaal.
Während der heilige Nepomuk auf dem Deckengemälde wie immer in die Moldau stürzte, fielen die Musikerinnen und Musiker des
Mandolinenorchesters der Kolpingsfamilie aus allen Wolken - und staunten über den rappelvollen, ausverkauften Asamsaal. Dieses erfreuliche Novum in der Geschichte des Ensembles mag das Orchester ebenso beflügelt haben wie der Wechsel an seiner Spitze: Dass es sich unter der neuen Führung
Boris Björn Baggers intensiv auf den Abend vorbereitet hatte, war seinem Temperament ebenso zu entnehmen wie seiner spielerischen Disziplin, und das Publikum belohnte die erfolgreiche Premiere denn auch mit Beifallsstürmen, die erst nach vier Zugaben endeten. Das klug gewählte, wechselvolle und ergiebige Programm gab dem Ensemble viel Gelegenheit, seine Tugenden zu beweisen. Schon in der hübschen irischen Suite „Planxty O'Carolan" fielen feines Zusammenspiel, dynamisches Geschick und frische Musikalität auf, die folkloristischen Esprit ebenso beschworen wie tänzerische Impulse. Als blutjunge, bereits mehrfach preisgekrönte Solistin gab Nadjeschda Bagger dabei Kostproben ihres außerordentlichen Talents, während der Este Valdo Preema das Ganze sanft mit dem Puderzucker seines Glockenspiels bestreute. Als ausgesprochen prominenter Solist griff Detlef Tewes anschließend zur Mandoline, die er als führender Virtuose seines Fachs beherrscht. So wurde Vivaldis C-Dur-Konzert zur köstlichen musikalischen Perle, die Tewes mit geschliffenem Dekor anreicherte. Hier wie auch in allen anderen Orchesterbeiträgen erwies sich Boris Björn Bagger als sensibler, kompetenter Dirigent, der das 18-köpfige Ensemble mit Umsicht, Energie und wachem Überblick leitete. Seine Impulse regten das
Mandolinenorchester auch bei seinen Streifzügen nach Südamerika zur sympathischen Klangentfaltung an, sei es in Celso Machados schmissigem Choro „Pacoca" oder in Dieter Kreidlers raffiniert-sinnlicher Rumba. Im gleichen stilistischen Umfeld unterstrichen Bagger und Tewes sodann auch ihren Rang als hoch gelobtes Konzertduo mit dem brillant angereicherten „Bordel" aus Astor Piazzollas „Geschichte des Tango". Mitreißende Virtuosität und spielerischer Charme hielten sich dann auch in Carlo Muniers „Capriccio Spagnuolo" und dem unverwüstlichen Csardas von Monti die Waage. Valdo Preema, der sich bereits bei der irischen Suite als unbeirrbarer Schlagwerker bewährt hatte, entpuppte sich nun als begabter Ohrwurm-Komponist: Sein Hit „Sincerely" existiert bereits in mehreren Fassungen und schmeichelte auch in der subtil gezupften Version des Mandolinenorchesters ihrem Schöpfer. Wieder gab Bagger seinen Spielerinnen und Spielern pointierte Impulse, die auch das wirkungsvolle Finale belebten: In den populären und stimmungsvollen Wolgaklängen demonstrierte das Orchester nochmals seinen suggestiven Spielgeist und krönte damit sein bemerkenswertes Konzert.
Ulrich Hartmann, Badische Neueste Nachrichten