Badische Neueste Nachrichten, 20.05.2003
Annette Struck-Vrangos (Blockflöte), Detlef Tewes (Mandoline) und Boris Björn Bagger (Gitarre)
Einen weiten musikalischen Bogen gespannt
Auch „Unspielbares” wurde virtuos präsentiert
Konzert bei den Kraichtaler Kirchenmusiktagen mit Björn Bagger geriet zum Höhepunkt
IN DER LANDSHAUSENER KIRCHE
gab es in der Reihe der Kraichtaler Kirchenmusiktage
ein herausragendes Konzert
Fünf Jahre ist es mittlerweile bereits her, dass seinerzeit beim Abschluss der 9. Kraichtaler Kirchenmusiktage der Karlsruher Ausnahmegitarrist Boris Björn Bagger in Bahnbrücken wohl eines der Highlights dieser renommierten Konzertreihe setzte. Damals hatte er drei Musiker aus Estland dabei, unter anderem Siiri Sisask, „die estnische Rocksängerin” schlechthin, und auch heuer hatte er wieder den Bogen zu dieser der ihm verbundenen musikalischen Region geschlagen, indem er Werke: zeitgenössischer estnischer Interpreten mit in sein Programm aufgenommen hatte.
Seine Mitmusiker waren ebenfalls wiederum eine Klasse für sich, denn mit Annette Struck-Vrangos an den verschieden Blockflöten und mit Detlef Tewes als den derzeitigen Mandolinenvirtuosen schlechthin hatte er oberstes Niveau aufgeboten, was im Laufe des Programmes auch durchgängig zu spüren war. So wusste er dann in Landshausen mit dieser neuen extravaganten Formation auch wieder musikalische Maßstäbe zu setzen. Zweimal nur zusammen in der Trioformation, dramaturgisch optimal zu Beginn und Abschluss des Konzertes gesetzt, ansonsten in wechselnden Duoformationen, spielten die drei so souverän mit und auf ihren Instrumenten die von ihnen dargebotenen Kompositionen, als sei es das leichteste auf der Welt und nicht das Werk jahrelanger, ja gar jahrzehntelanger intensivster Übung und Beschäftigung mit ihrem „Handwerkszeug” und der entsprechenden Literatur.
Den musikalischen Bogen spannten sie von der spanischen Renaissance mit Diego Ortiz über norddeutschen Barock, europäische Liedern und argentinischen Tango bis hin zu estnischer Musik der Moderne, wobei die drei dem Publikum zu jeder Zeit das Gefühl vermittelten, nicht nur zu interpretieren, sondern in der „Musik selbst zu stecken”. Besonders deutlich wurde dieses bei der einleitenden Triosonate in C-Dur von Georg Philipp Telemann, zart und verspielt dargebracht, bei der die Musiker die Besonderheit dieses Stückes aufnahmen und ihnen in der Interpretation die entsprechende emotionale gestalterische Kraft verliehen.
So war es der warme, intensive Ton der Blockflöte, von größter Intonationsreinheit gekennzeichnet, die rhythmisch exakte Gitarre speziell bei den begleitenden Passagen und locker dynamisch im Solo und an diesem Abend sicherlich alles überragend das Mandolinenspiel von Detlef Tewes, das auch die anschließenden Tangos von Astor Piazzolla prägte.
Grandios dann die Darbietung von Carlo Munier's „Capriccio Spagnuolo op. 267”, das zuvor von Boris Bagger selber als nahezu „unspielbar, da zu schwer” beschrieben wurde. Das Spektrum des kleinen Instrumentes wurde komplett von der Komposition einbezogen und erforderte Läufe von Schwindel erregender Geschwindigkeit in virtuoser Manier, um dieser gerecht zu werden, gepaart mit überragendem musikalischen Einfühlungsvermögen.
Bei den Kompositionen der estnischen Komponisten Urmas Sisask und Lepo Sumera, die beide ihre Werke Boris Bagger gewidmet haben, stand nicht der technische Aspekt im Vordergrund, sondern wie bei vielen nordischen Komponisten eher die musikalische Darstellung der heimischen Landschaft, mit weichem melancholischem Unterton, der von den dreien bezaubernd dem spirituellen Charakter adäquat rübergebracht wurden!
Dass dieses Ensemble nicht um Zugaben herumkam, war selbstverständlich und so gab es noch zwei zeitgenössische Stücke mit eher improvisiertem Charakter, bei denen man den Musikern ihre ganze Spielfreude auch ansah. Hoffentlich muss das sehr zahlreich erschienene fachkundige Publikum nicht noch einmal, fünf Jahre warten, bis Ernst Daubenberger wieder Boris Bagger nach Kraichtal einlädt, um auch dann wieder nicht alltägliche musikalische Darbietungen auf höchstem Niveau genießen zu können.
Thomas von Haefen